08
competence
Ausgabe 01/18
FOCUS
Konkurrenz und Kooperation
in der neuen (Arbeits)-Welt
Psychologe Christian Korunka über gesellschaftliche
Veränderungen und ihre Auswirkungen auf das Arbeitsleben.
ir leben in einer Zeit
rascher
Veränderung.
Soziale Beschleunigungs-
prozesse
durchdringen
alle
Lebensbereiche.
Durch den breiten Einsatz und die Entwick-
lung neuer Kommunikations- und Informati-
onstechnologien erleben wir eine weitere
Intensivierung von Veränderungsprozessen.
Dazu
kommen
gesellschaftspolitische
Veränderungen, die unter dem Begriff des
„Neoliberalismus“ zusammengefasst wer-
den können. Die Idee einer ungezügelten
Dominanz des Marktes forciert Konkurrenz
und verdrängt Kooperation. Damit ver-
schiebt sich das dynamische und an sich
konstruktive Gleichgewicht dieser beiden
diametralen Pole.
Aus humanistischer Sicht sind Konkurrenz
und Kooperation Ausdruck von zwei zentra-
len psychologischen Motiven, die unser
Leben bestimmen. Das Grundmotiv für eine
konstruktive Entwicklung in allen Lebens
bereichen ist die uns innewohnende Aktuali-
sierungstendenz. Dieses Motiv ist ein über-
geordnetes Sinn- und Entwicklungsprinzip
sämtlichen menschlichen Verhaltens, und es
ist der grundlegende Auslöser menschlichen
Verhaltens. Menschen streben danach, ihre
Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten und
zu entfalten, um ihre Unabhängigkeit und
Selbstbestimmung zu bewahren. Eine Folge
der Entfaltung des Individuums ist auch die
(konstruktive) Konkurrenz, der Wettbewerb
untereinander.
Konkurrenz ist konstruktiv, wenn sie in verant-
wortungsvollen Beziehungskontexten statt-
findet. Beziehungsangewiesenheit ist unser
zweites zentrales psychologisches Grund
motiv, das die Bedürfnisbasis für sämtliche
Formen von Beziehungen darstellt. Wir wollen
und brauchen erfüllte soziale Beziehungen in
allen unseren Lebenskontexten. Zwischen
den beiden Bedürfnissen „Aktualisierungs
tendenz“ und „Beziehungsangewiesenheit“
besteht eine konstruktive Spannung, die eine
Grundlage für ein positives und erfülltes
(Zusammen-)Leben darstellt. Wenn sich nun
durch die derzeitigen gesellschaftlichen Ent-
wicklungen dieses konstruktive Gleichge-
wicht in Richtung der Konkurrenz verschiebt,
dann nehmen die bekannten negativen Fol-
gen wie steigender Leistungsdruck, Vertei-
lungskämpfe usw. noch stärker zu.
Arbeit im Wandel
Besonders gut ist dies in der Arbeitswelt zu
beobachten. Hier führen die sozialen Be-
schleunigungsprozesse zu neuen Anforde-
rungen für die ArbeitnehmerInnen, welche
oft schon nahe der Belastungsgrenze arbei-
ten. Arbeitsintensivierung und die Zunahme
von Autonomie- und Kompetenzanforde-
rungen charakterisieren unsere moderne
und flexibilisierte Arbeitswelt. Und auch hier
hat sich die dynamische Balance von Konkur-
renz/Kooperation in Richtung einer proble-
matischen Konkurrenz verschoben. Im „War
for Talents“ (man beachte die Kriegsmeta-
pher) kämpfen die Unternehmen und die
„Überlebenden“ um die besten Jobs. Viele
bleiben auf der Strecke und enden in der
Langzeitarbeitslosigkeit. Aber auch inner-
halb der Unternehmen ist Konkurrenz eine
zentrale (und oft belastende) Antriebsgröße,
wenn Intrapreneurship, Engagement und
Proaktivität bestimmend werden.
W
Was ist zu tun?
Die positivenAuswirkungen von Kooperation
und Zusammenarbeit auf die Produktivität
und die Qualität des Arbeitslebens sind gut
untersucht und bestätigt. Daher sollten in
einer von Konkurrenz und Beschleunigung
dominierten Arbeitswelt Maßnahmen zur