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competence

Ausgabe 01/18

round table

In der Schule dominiert heute Team-

arbeit. An der Universität ist Koopera-

tion gut, aber Konkurrenz ist auch da.

Wie sehen Sie das?

Ulrich Brand:

Wir haben in der Politik-

wissenschaft ja viele Studierende und mein

Anliegen ist es, Lernprozesse zu initiieren. Das

passiert oft in Gruppen. Am Ende vom Studi-

um haben hoffentlich möglichst viele sich ge-

meinsam angestrengt. Es gibt weiterhin geni-

ale Einzelgänger, aber auch kooperative

(selbst)organisierte Lernprozesse bringen im

anonymen Umfeld der Universität Erfolg.

Helmut Ofner:

Zugangstests für Studien

sind gleich am Anfang gelebte Konkurrenz.

Da wird eine vernünftige Basis aus der Schule

zerstört. Jeder sollte die Chance haben, ein

Studium zu beginnen.

Ulrich Brand:

Wir haben in den Sozial-

wissenschaften die Studieneingangs- und

Orientierungsphase STEOP. Wir prüfen Studie-

rende nicht raus, sondern bereiten sie auf eine

informierte Entscheidung vor: abbrechen

oder weitermachen. Das ist nicht die brutale

Konkurrenz von Zugangstests.

Maria Dinold:

Im Sport braucht es die

körperliche Eignung. Im Leistungssport ist die

Konkurrenz extrem. Für Studierende des

Lehramts für Bewegung und Sport ist aber

folgender Entwicklungsprozess notwendig:

vom Zeigen der eigenen Leistung zum Ziel,

anderen etwas beizubringen.

Der Historiker Yuval Noah Harari legt

in seinem Buch „Eine kurze Geschichte

der Menschheit“ dar, dass seit Milli-

onen von Jahren der Entschlossenere

oder der physisch Stärkere gewinnt.

Was wird sich am Ende durchsetzen?

Ulrich Brand:

So spannend diese

Perspektive ist, ich würde einwenden: Unsere

Gesellschaft hat die Aufklärung durchlaufen,

in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, son-

tendorf ging es damals ummehr als ein Atom-

kraftwerk. Es ging um eine bessere Zukunft.

Aktuell gibt es einen Konflikt zwischen Zu-

kunftsfähigkeit und dem Ausbau des Wiener

Flughafens.

Kann es sein, dass globale Themen so

groß geworden sind, dass sie keiner

mehr überblicken kann?

Ulrich Brand:

Als das Telefon oder die

Eisenbahn eingeführt wurden, gab es auch

für viele das Gefühl der Überforderung. Wir

können die Gesellschaft nicht überblicken,

deshalb sollten wir nach demVorsichtsprinzip

handeln, nicht alles Machbare machen, weil

damit oft zerstörerische Effekte einhergehen.

Maria Dinold:

Ich würde mir wünschen,

dass individuelle Bedürfnisse gesehen wer-

den und entsprechend den Voraussetzungen

auch gehandelt wird, eine/r braucht mehr Un-

terstützung als die/der andere. Alle sollten

lernen zu teilen.

Helmut Ofner:

Dies gilt auch auf ande-

rer Ebene: Das gemeinschaftliche Prinzip auf-

rechterhalten, als Staatengemeinschaft einig

vorgehen, aber nicht zerstören, was in der

Vielfalt einzelner Staaten entstanden ist.

dern die möglichst vernünftige Einrichtung

der Gesellschaft. In Österreich gibt es ein

etabliertes System von Regeln, das die Stärke

des Einzelnen an das Gemeinwesen bindet,

und Akzeptanz für Regeln, die eingreifen.

Mächtige Akteure können hier nicht alles

bekommen. Heute brauchen wir eine Auf­

klärung 2.0 im Sinne von Nachhaltigkeit und

der Anerkennung der ökologischen Grenzen

des Planeten.

Helmut Ofner:

Zum Glück wächst gera-

de eine weltoffene Generation heran.

Maria Dinold:

Das Bewusstsein für die

Notwendigkeit eines geteilten Status, um vor-

wärtszukommen, wurde auf dem Papier von

vielen Staaten unterzeichnet. Es mangelt aber

am Umsetzen und Umdenken. Man trennt

sich schwer von Traditionen. Diversität ist eine

Strömung, die Entwicklungschancen durch

Vielfalt sieht.

Was können wir tun, damit es besser

wird?

Helmut Ofner:

Es geht letztlich immer

um das eigene Interesse, die eigene Perspek­

tive. Wollen wir als Eltern die perfekte schu-

lische Bildung oder unsere Kinder in eine

inhomogene Gruppe integrieren, damit sie

den Umgang mit anderen lernen? Das eine

schließt das andere freilich nicht aus.

Maria Dinold:

In der Pädagogik muss

man den Unterschied erkennen zwischen

„helfen“ und„unterstützen“.„Hilf mir, es selbst

zu tun“ (Anm.: Maria Montessori) gilt auch

global. Soll man Flüchtlingswellen abfangen

oder Herkunftsstaaten fördern? Das Prinzip

funktioniert von ganz klein bis ganz groß.

Ulrich Brand:

Wir haben viele Zielkon-

flikte: etwa die Orientierung am Wirtschafts-

wachstum versus notwendigen Umwelt-

schutz. Das muss immer wieder neu

ausgetragen werden. Im Konflikt um Zwen-

Unsere Gesellschaft

hat die Aufklärung

durchlaufen. Heute

brauchen wir eine

Aufklärung 2.0. Im

Sinne der Anerken­

nung der ökologischen

Grenzen des Planeten.

Ulrich Brand