uniMind|Workshop

"Kunden- und Mitarbeiterverhalten ändern – eine verhaltensökonomische Perspektive"

Univ.-Prof. Dr. Jean-Robert Tyran
Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Universität Wien

Mag. Gerhard Fehr
CEO FehrAdvice

 

» Die Vortragsunterlagen zum Download

 

Welche Treiber stecken hinter dem Verhalten von KundInnen und MitarbeiterInnen und wie kann dieses beeinflusst werden? Wirtschaftswissenschafter Univ.-Prof. Tyran (Universität Wien) und Mag. Fehr (CEO FehrAdvice & Partners AG) leiteten 33 TeilnehmerInnen durch einen spannenden Nachmittag.  

Beim ersten uniMind Workshop des Projektjahres zum Thema "Veränderung" stand das Verhalten von KundInnen und MitarbeiterInnen im Zentrum. Univ.-Prof. Dr. Jean-Robert Tyran, Dekan des Instituts für Wirtschaftswissenschaften und Leiter des Vienna Center for Experimental Economics, erläuterte zunächst, wie die Wirtschaftswissenschaft das Verhalten der Menschen erklärt. Laut Standardmodell der Ökonomik wäre der Mensch ein rational handelnder Homo oeconomicus. Dieses Modell würde jedoch zu wenige Erklärungsmöglichkeiten für das reale Verhalten von Menschen liefern. Die Verhaltensökonomie bezöge daher auch Erkenntnisse der Psychologie und experimentelle Daten mit ein. Die Steuerungsmöglichkeiten der Standardökonomik für menschliches Verhalten würde sich auf das Angebot von Incentives oder Verbote beschränken, während die Verhaltensökonomik durch das Beachten sozialer Präferenzen, das Einbeziehen aller Stakeholder, Fokus auf Aufmerksamkeit und Kopf- statt Bauchentscheidungen weitere Alternativen anbieten könnte.

Irrationalität des Menschen

Mag. Gerhard Fehr, CEO der schweizerischen Unternehmensberatung FehrAdvice, beschrieb seine intensive Auseinandersetzung damit, wie man einen echten Effekt auf Menschen erreichen könnte. Er stellte die Frage in den Raum, was passieren würde, wenn prinzipielle Annahmen über menschliches Verhalten über den Haufen geworfen werden würden. Zu diesem Zweck forderte er die TeilnehmerInnen auf, das bereitgestellte Voting Device (einen kleinen Abstimmungsapparat) zu zücken. Die TeilnehmerInnen mussten bewerten, wie rational KundInnen, MitarbeiterInnen und sie selbst entscheiden würden. Dem folgten kurze, aber knifflige Rechenaufgaben. Hinter den Aufgaben stand die These, dass Menschen in zwei verschiedenen Systemen denken würden – dem intuitiven und dem kognitiven System. Ersteres beinhaltet intuitives und impulsives Verhalten, das oft Ungeduld, geringe Selbstkontrolle und geringes Durchhaltevermögen zur Folge hat. Zweiteres beinhaltet rationale Entscheidungen, ist aber anstrengend und daher auch langsam. KundInnen und MitarbeiterInnen würden meist nach dem intuitiven System agieren.

Altruismus oder Egoismus

Im nächsten Spiel ging es um Entscheidungsverhalten hinsichtlich anderer Personen, um Altruismus und Kooperation. Würden die TeilnehmerInnen anderen Personen (unter verschiedenen Voraussetzungen) Geld geben oder es für sich behalten? Laut Prospect Theory würden Menschen Verluste schwerer gewichten als vergleichbare Gewinne („Verlustaversion“). Des Weiteren käme es oft zu einer negativen Reziprozität, d.h. Menschen würden sich selbst schaden, um auch dem anderen einen Gewinn vorzuenthalten, wenn sie sich unfair behandelt fühlten. Allerdings wären die meisten Menschen nur „bedingte Altruisten“ – je nach Verhalten des Gegenübers würden sie zu Altruismus oder Egoismus tendieren.

Das dritte Spiel drehte sich um die Einschätzung des eigenen Verhaltens im Vergleich zu anderen. Die Take-Home-Message lautete dabei, dass Menschen die eigenen Fähigkeiten und die anderer überschätzen würden. Dieses Phänomen der „Overconfidence“ wäre bei allen, die auf der Karriereleiter aufsteigen wollten, erkennbar.

Aufmerksamkeit als Ressource

Das letzte Spiel zeigte die Effekte von fokussierter Aufmerksamkeit auf – bei Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe blendeten die meisten TeilnehmerInnen alles andere komplett aus. Gerhard Fehr bezeichnete Aufmerksamkeit sogar als knappste Ressource des 21. Jahrhunderts.

Transaktionale und relationale Beziehungen

Der nächste Workshopteil drehte sich um Beziehungen. Der Unterschied zwischen transaktionaler und relationaler Beziehung wurde aufgezeigt: Erstere würden auf gleichwertigen Gegenleistungen und deren strikten Einforderung beruhen, während in der zweiten ein Partner eine Vorleistung gäbe und das Gegenüber könnte diese dann freiwillig erwidern. Fehr legte diese Beziehungen auf Unternehmen um – mit welchen Beziehungen könnten Unternehmen die Aufmerksamkeit der KundInnen eher erregen und vor allem dauerhaft aufrechterhalten? Rabattaktionen und Produkte wären kopierbar, während eine echte Kundenbindung dauerhafte Identifikation mit dem Unternehmen brächte. Relationale Beziehungen wären auch die bessere Wahl innerhalb des Unternehmens: „Die Bereitschaft, etwas zu geben, ohne zu wissen, was man zurückbekommt, ist die Grundlage einer jeden Mitarbeiterbeziehung. Nachhaltig erfolgreiche Führungskräfte wissen dies intuitiv und setzen auf Kooperation“, sagt Fehr.

Die WorkshopteilnehmerInnen bewerteten und bearbeiteten im letzten Teil in Kleingruppen unterschiedliche Unternehmenssituationen. Dabei mussten sie für ein gestelltes Problem durch den Entwurf eines relationalen Beziehungssettings eine zufriedenstellende Lösung finden. Diese Lösungen wurden im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Nach der Diskussionsrunde konnten sich die TeilnehmerInnen am Buffet mit den Workshopleitern und untereinander austauschen und den Abend ausklingen lassen.