uniMind|Workshop

"Sozialraum Stadt: Entwicklungen, Friktionen und politischer Handlungsbedarf"

Univ.-Prof. Dr. Heinz Fassmann
Institut für Angewandte Geographie, Raumplanung und Raumforschung, Universität Wien

Dr. Yvonne Franz
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

Im ersten uniMind-Workshop des aktuellen Jahreszyklus setzten sich die TeilnehmerInnen mit Wandlungs- und Veränderungsprozessen in urbanen Gesellschaften auseinander. In einem interaktiven Setting eruierten sie Diversität als zentrale Herausforderung wachsender Städte und diskutierten Risiken und Chancen einer vielfältigen Stadtgemeinschaft.

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Vielfältige Stadterfahrungen

Den Nachmittag an der Universität Wien eröffneten Heinz Fassmann und Yvonne Franz mit einer interaktiven Übung. Die 50 TeilnehmerInnen wurden aufgefordert, über ihre eigenen Stadterfahrungen zu berichten. In welchen Städten habe ich bereits gelebt? Was habe ich an dieser Stadt geschätzt? Welche urbanen Qualitäten habe ich vermisst?

Rasch wurde klar: Die Stadterfahrungen der TeilnehmerInnen sind vielfältig. Doch von Mexico City über Utrecht bis Floridsdorf, von Warschau und Innsbruck bis Montreal: jene Faktoren, die eine Stadt lebenswert machen, gleichen sich überall. Eine gute Infrastruktur und ein ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz werden hoch geschätzt, Vielfalt, kulturelle Angebote und ein aktives öffentliches Leben gelten als urbane Qualitäten. Zudem profitieren Städte durch eine enge Anbindung an das Umland und Grünflächen im urbanen Raum erhöhen die Lebensqualität. Hingegen beschrieben die TeilnehmerInnen eine dichte Bebauung, mehrheitlich motorisierten Verkehr, Anonymität und ein fehlendes Gemeinschaftsgefühl als jene Faktoren, die sie von negativen urbanen Erfahrungen sprechen lassen.

Städte als Leuchttürmer der Globalisierung

Die Diskussion zeigte, dass der Wohlfühlfaktor einer Stadt neben stadtplanerischen Aspekten eng an soziale Interaktionen gekettet ist. Nur wenn Integration und Inklusion gelingt und ein sozialer Zusammenhalt in urbanen Räumen gefühlt wird, werden Städte als lebenswert erachtet. Dieser Aspekt gewinnt insbesondere dadurch an Bedeutung, dass wachsende Städte zunehmend mit Diversität konfrontiert sind. Heinz Fassmann belegte am Beispiel zahlreicher Studien, dass städtisches Wachstum zu einem entscheidenden Anteil auf Zuwanderung basiert. Städte als „Leuchttürmer einer globalisierten Welt“ profitieren von der internationalen Verflechtung, müssen aber auch auf den dadurch bedingten Strukturwandel reagieren. Das alte Narrativ einer zuwandernden Minderheit, die durch Assimilationsanstrengungen in der Mehrheitsgesellschaft aufgeht, gilt nicht mehr, urteilte der Migrationsexperte Fassmann.

Diversität: Aus der Not eine Tugend machen?

Stattdessen stehen zukunftsorientierte Städte vor der Herausforderung, urbane Diversität als Standortvorteil zu erkennen und eine Kultur der Differenz als positiven Wert zu etablieren. Im öffentlichen Diskurs und integrationspolitischen Debatten stellen die vielfältigen Migrations- und Integrationserfahrungen der StadtbewohnerInnen, wie sie in der Interaktion zu Beginn des Workshops deutlich wurde, ein unterschätztes Phänomen dar. Um diesem Erfahrungshorizont Rechnung zu tragen wurden die TeilnehmerInnen aufgefordert, in Kleingruppen ihre Erfahrungen mit Diversität im professionellen Kontext auszutauschen. Bin ich in meinem beruflichen Alltag mit Diversität konfrontiert? Vor welchen Herausforderungen stehe ich? Und welche Ansätze zum Umgang mit Diversität lassen sich finden?
In der anschließenden Diskussion im Plenum wurde deutlich, dass der Begriff 'Diversität' breit gefasst werden muss, um der gesellschaftlichen Vielfalt gerecht zu werden.

Urban Living Labs

Den Erfahrungsaustausch in den Kleingruppen aufnehmend beschrieben Heinz Fassmann und Yvonne Franz urbane Diversität als eine der größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre. An der Entscheidung, wie Heterogenität bewertet wird, sind Fragen der Gerechtigkeit, Chancengleichheit und sozialer Durchlässigkeit geknüpft. Die Rahmenbedingungen, die wir urbaner Vielfalt gegeben, müssen in einem gesellschaftlichen Diskurs ausverhandelt werden. Diese Debatten muss die Stadtplanung aufgreifen und auch ‚leise Stimmen‘ in den Planungsprozess integrieren. Nur auf diese Art und Weise, so das Fazit der beiden ExpertInnen, gelangen wir zu einer humanen und umsichtigen Stadtplanung der Zukunft. Um dieses Ziel zu realisieren, stellten Heinz Fassmann und Yvonne Franz abschließend Stadtteilprojekte vor, in denen Urban Living Labs zum Einsatz kommen um Interaktionen zwischen StadtbewohnerInnen zu fördern, Wissens- und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen und soziale Innovation zu stärken.